Management

Die Maschine denkt mit

Aus der zunehmenden Datenflut können Unternehmen Kapital schlagen. Voraussetzung: Sie nutzen die Chancen, die maschinelles Lernen bietet. Der Zeitpunkt ist günstig.

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von Regiomanager 01.05.2017
Münsterland Manager 2021/02
Foto: ©christian42 _stock.adobe.com

Machine Learning ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz. Der Begriff ist nicht neu, bereits in den 1950er Jahren entwickelte der US-amerikanische Informatiker Arthur Samuel für IBM ein lernfähiges Computerprogramm. Doch so richtig Schwung in die Sache ist erst in der jüngsten Zeit gekommen. Das Vorhandensein immer größerer Datenmengen, bessere Technik und höhere Rechenpower sind Treiber der Entwicklung. Beim maschinellen Lernen finden intelligente Programme selbständig Strukturen in Datenströmen, lernen daraus und können sich sogar eigenständig umprogrammieren. Die Daten werden etwa durch Sensoren gewonnen, oder sind als Bilder und digitale Dokumente vorhanden.
Viele mittelständische Unternehmen fragen sich derweil, ob das Thema für sie überhaupt relevant ist, und wie maschinelles Lernen funktioniert. Bisher scheinen Universitäten und große US-amerikanische Technologieunternehmen den Ton anzugeben. Doch auch wenn Google, Apple und Amazon Wegbereiter sind und die Diskussionen prägen, ist das Thema längst in der deutschen Wirtschaft angekommen. Die diesjährige Hannover Messe hat eindrucksvoll belegt, dass Machine Learning bereits heute ein strategisch relevantes Thema ist, besonders für den deutschen Maschinenbau. „Wir geben jetzt weiter Gas, das Thema ist reif. Nachdem wir in den letzten Jahren Industrie 4.0 im Maschinenbau etabliert haben, müssen wir nun auch die Potenziale für Machine Learning erschließen. Entscheidend ist hierbei, dass wir Anbieter und Anwender zusammenbringen und die Nutzung von Machine Learning im industriellen Umfeld in den Mittelpunkt stellen“, sagt Rainer Glatz, Geschäftsführer beim Fachverband Software und Digitalisierung des VDMA.
Um von dieser Zukunftstechnologie zu profitieren, müssen Unternehmen allerdings in der Lage sein, aussagefähige Daten zu generieren und diese intelligent auszuwerten. Voraussetzung dafür ist der Aufbau eines Pools von Nutzerdaten. Der Zugang zu den Daten muss einhergehen mit der Etablierung von Softwarekompetenz. Qualifizierte Softwareentwickler und Ingenieure, die die Algorithmen der KI verstehen und das nötige Fachwissen mitbringen, sind dabei unverzichtbar. Leichter gesagt als getan: Informatiker und Business Analysten sind am deutschen Arbeitsmarkt nicht gerade in Hülle und Fülle vorhanden. Auch das Thema Datensicherheit, besonders die Verwendung von fremden Daten, ist rechtlich bisher nicht ausreichend geklärt. Doch davon sollten sich Unternehmen nicht entmutigen lassen, es ist noch genügend Zeit, auf den Trend aufzuspringen. „Handlungsfelder für Politik, Gesellschaft und Forschung liegen in der Förderung der Ausbildung von Data Scientists und der Start-up-Kultur in Deutschland, aber auch in regulatorischen und ethischen Fragen. Wir stehen erst am Anfang einer umfassenden Diskussion“, sagt Dr. Eric Maiser, Leiter des VDMA Competence Centers Future Business.

Software für maschinelles Lernen steht bereit

Der Einstieg ins maschinelle Lernen muss nicht zwangsläufig mit hohem Ressourcenaufwand verbunden sein. Mithilfe von „Digital Labs“, Forschungskooperationen mit Startups, können Unternehmen ihre IT-Kompetenz ausbauen und die digitale Transformation vorantreiben, ohne eine eigene Abteilung aufbauen zu müssen. Eine weitere Möglichkeit ist es, auf bereitgestellte Infrastruktur von Cloud-Anbietern zuzugreifen. So bieten verschiedene Plattformen eigene Dienste für maschinelles Lernen an (IBM Watson, Microsoft Azure ML Studio, Amazon Machine Learning). Zudem gibt es heutzutage eine große Bandbreite an Open-Source-Software im Bereich Machine Learning, auf die Entwickler zurückgreifen können. Algorithmen, mit denen sich selbstlernende Programme für verschiedene Anwendungsfelder kreieren lassen, sind frei verfügbar.
Und der Anwendung von künstlicher Intelligenz sind kaum Grenzen gesetzt. In vielen Lebensbereichen sind bereits heute intelligente Programme im Einsatz, ohne dass die Nutzer dies bemerken. Ob bei der Spracherkennung auf Mobiltelefonen, der Gesichtserkennung von Facebook, dem Suchmaschinen-Ranking von Google oder Spam-Filtern in E-Mail-Programmen: Machine-Learning-Algorithmen nutzen Big Data zum Vorteil des Entwicklers, indem sie Zusammenhänge erkennen und die Daten wirkungsvoll verarbeiten. So eröffnet die Technologie neue datenbasierte Geschäftsmodelle, etwa bei der personalisierten Werbung oder in der Finanzwirtschaft bei der Erstellung von Marktprognosen. Auch autonome Systeme wie selbstfahrende Autos können nur mit selbstlernenden Programmen entwickelt werden.

Von Predictive Maintenance bis Logistik

Die Anwendungsbereiche von Machine Learning sind auch im Maschinenbau vielfältig. Prominente Beispiele sind Predictive Maintenance, industrielle Bildverarbeitung und Robotersteuerungen, aber auch die Logistik innerhalb und außerhalb der Fabrik. „Machine Learning wird nicht nur der Industrie 4.0 weiteren Schub verleihen, sondern auch die Zusammenarbeit mit Softwarefirmen und Startups zum Wohle neuer Maschinenbau-Geschäftsfelder beflügeln“, erläutert Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer.
Der Verband sieht vor allem im Predictive Maintenance einen Service der Zukunft und ein Schlüsselelement von Industrie 4.0. Dabei geht es darum, mögliche Schäden in der Fertigung bereits im Vorfeld zu erkennen. Die vorausschauende Wartung baut auf dem schon seit Jahren in vielen Branchen üblichen Condition Monitoring auf, das den Verschleißzustand von Bauteilen erkennt und überwacht. Predictive Maintenance nutzt die per Condition Monitoring erfassten Daten, um die voraussichtliche Entwicklung des künftigen Maschinenzustandes vorherzusagen und um die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen zu unterstützen. Nur ein Beispiel, wie Unternehmen die Kundenzufriedenheit und -bindung steigern sowie Kosten reduzieren können. Mithilfe von Machine Learning werden Daten zu einem Schatz, den die Unternehmen nur heben
müssen. Alexander Kirschbaum | redaktion@regiomanager.de

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