Recht & Finanzen

Zwischen Konsolidierung und digitalem Wandel

Der deutsche Bankensektor ist auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Die Einführung digitaler Innovationen ist dabei stark abhängig von der Akzeptanz beim Kunden.

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von Regiomanager 01.07.2017
(Foto: ©Eisenhans – stock.adobe.com)

Um den Ruf der Banken ist es nicht zum Besten bestellt, so scheint es zumindest. Tatsächlich hat das Image der Branche im Zuge der Finanzkrise ab 2007 gelitten, doch von einem gravierenden Vertrauensverlust kann keine Rede sein. Dies zeigt eine repräsentative Studie des Marktforschungsunternehmens GfK zum Vertrauen der Deutschen in ihre Kreditinstitute. Demnach haben 82 Prozent der Befragten eher Vertrauen (42 Prozent) oder sogar volles Vertrauen (40 Prozent) zu ihrem Kreditinstitut. Bemerkenswert: Die eigene Meinung zu den Banken ist deutlich positiver (56 Prozent gut/sehr gut) als der von den Befragten wahrgenommene Ruf der Branche in der öffentlichen Meinung (26 Prozent gut/sehr gut).
Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise hat der Bankensektor also scheinbar verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen. Die Herausforderungen für die Finanzbranche sind dessen ungeachtet weiterhin groß. Im vergangenen Jahr ist die Gesamtzahl der Kreditinstitute in Deutschland um 72 auf 1.888 Institute gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Der Konsolidierungsprozess hat an Fahrt gewonnen“, sagt Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. „Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass der Druck durch Wettbewerb und Niedrigzinsumfeld weiter hoch ist und die Banken sich veranlasst sehen, Kostenstrukturen und Vertriebswege auf den Prüfstand zu stellen.“
Der Zwang zu sparen zeigt sich auch bei den Bankfilialen, deren Zahl die Branche in den vergangenen Jahren stark reduziert hat. Die persönliche Beratung vor Ort hat bei den Deutschen aber weiterhin einen hohen Stellenwert: In einer repräsentativen Meinungsumfrage der GfK zum Online-Banking in Deutschland widersprechen 86 Prozent der Befragten der Aussage, dass Banken heutzutage keine Filialen mehr bräuchten. Bei diesem Thema besteht eine große Einigkeit zwischen Alt und Jung. Auch Thomas Schlüter, Leiter der Kommunikationsabteilung beim Bundesverband deutscher Banken (BdB), rechnet nicht mit einem Ende der klassischen Bankfiliale. „Derzeit haben wir noch rund 32.000 Filialen in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl in den nächsten Jahren reduzieren wird. Hauptursache ist das Kundenverhalten. Filialen werden weniger besucht, die Kunden nutzen für Überweisungen und den Zahlungsverkehr lieber das Online-Banking. Die Banken reagieren darauf unterschiedlich, abhängig von den jeweiligen Wünschen ihrer Kunden. So gibt es beispielsweise zunehmend eine Spezialisierung und Umgestaltung der Filialen. Ein Auslaufmodell ist der Bankberater daher derzeit nicht.“

Finanzbranche setzt auf Digitalisierung

In Zeiten von staatlicher Regulierung und Niedrig- bzw. Minuszinsen sind Banken verstärkt auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Ob Bankberatung per Videokonferenz im Wohnzimmer, Bezahlen im Supermarkt per Smartphone oder Online-Zinsportale, die es jedermann ermöglichen, sein Geld zu höheren Zinsen im Ausland anzulegen: Die Digitalisierung verändert derzeit das Finanzwesen. Auch wenn die Deutschen beim Geld generell etwas vorsichtiger erscheinen als ihre europäischen Nachbarn. So halten die Kunden in Deutschland laut der GfK-Umfrage nicht nur an ihren Bankfilialen fest, sondern sind auch besonders skeptisch, was die Datensicherheit im Internet anbelangt. Darüber hinaus bevorzugen die Deutschen noch immer konventionelle Bezahlmethoden. Die Banken müssen hierzulande also einen Spagat wagen: Einerseits ist eine technologische Erneuerung zwingend geboten, andererseits dürfen diejenigen Kunden nicht verschreckt werden, die digitale Innovationen nur in wohlbemessenen Dosen mitmachen wollen.
„Die digitale Transformation wird den Bankensektor nicht vom Kopf auf die Füße stellen; die Grundlagen des Bankgeschäfts bleiben unverändert. Digital haben die meisten Institute inzwischen einen großen Sprung nach vorne gemacht: Sie haben ihre Zugangswege modernisiert, neue, in Teilen von FinTechs entwickelte Lösungen in ihre Angebote eingebaut und den Service erweitert. Flexibilität und Innovationskraft werden zunehmend als die Parameter erkannt und gelebt, die für das Bestehen in der digitalen Welt von morgen unumgänglich sind“, erklärt Schlüter.
Bei allen Möglichkeiten, die die Digitalisierung den Banken bietet, bleibt die Vergabe von Krediten an Privatkunden und Unternehmen weiterhin eine zentrale Aufgabe der Geldinstitute. Durch die finanzielle Versorgung der Wirtschaft fördern die deutschen Kreditinstitute Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Unternehmen. Im Jahr 2015 lag die Summe der Kredite an Unternehmen und Selbstständige bei 1.314,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2005 waren es noch 1.199,7 Milliarden Euro. Das zeigt, dass sich Unternehmenskredite trotz alternativer Formen der Unternehmensfinanzierung wie Private Equity, Unternehmensanleihen oder Crowdfunding weiterhin großer Beliebtheit erfreuen. Von den deutschen Instituten werden Unternehmenskredite dabei vor allem vergeben von Sparkassen (27,5 Prozent), Kreditbanken (26,0 Prozent), Kreditgenossenschaften (17,2 Prozent) und Landesbanken (14,4 Prozent).

Auswirkungen des Brexit bleiben begrenzt

Der von Großbritannien beschlossene Austritt aus der Europäischen Union hat auch in der Finanzwelt für Unruhe gesorgt. Londons Stellung als Europas Finanzplatz Nummer eins sei nun in Gefahr, profitieren könnte die deutsche Bankenlandschaft, hieß es in zahlreichen Medien. Für Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, bleiben die unmittelbaren Auswirkungen auf deutsche Institute aber begrenzt. „Das Kundengeschäft unserer Institute wird durch den Brexit nicht beeinflusst. Deutsche Banken werden in den nächsten beiden Jahren Geschäfte nach Deutschland verlagern, dies ist schon heute organisatorisch relativ einfach“, betont Kemmer.
Der Bankenverband geht davon aus, dass London auch weiterhin ein bedeutender Finanzplatz bleibt. Insofern sei kein vollständiger Rückzug der Institute zu erwarten. „Das Vereinigte Königreich wird nach dem Austritt den Status eines Drittlandes erhalten. Dies ist für unsere Institute nichts Ungewöhnliches“, so Kemmer. Und Thomas Schlüter ergänzt: „Wir bedauern den Brexit und hätten uns einen anderen Ausgang des Referendums im Vereinigten Königreich gewünscht. Nun gilt es, das Beste daraus zu machen. Frankfurt ist dabei – als Sitz wichtiger europäischer finanzpolitischer Institutionen, eingebettet in eine starke Volkswirtschaft mit einem stabilen Rechtsrahmen und hoher Innovationskraft – als kontinentaler EU-Partner von London geradezu prädestiniert.“ Wie die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien letztlich ausgehen, ob harter oder weicher Brexit, der Bankenverband erwartet insgesamt nur geringe Auswirkungen auf das Wachstum und die Beschäftigung in Deutsch­­land. Alexander Kirschbaum | redaktion@regio-manger.de

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